Zusammen für den Nahverkehr: Grüne Vorschläge für einen ÖPNV, der einfach funktioniert

5. März 2024
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Ein funktionierender und bezahlbarer Nahverkehr macht den Alltag vieler Menschen in Deutschland einfacher und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Städte werden leiser und sauberer und wir gewinnen Platz zum Leben. Gewerkschaften und Klimabewegung zeigen, dass gute Arbeitsbedingungen, eine funktionierende öffentliche Infrastruktur und Klimaschutz eng miteinander verbunden sind.

Deshalb unterstützen wir den Einsatz der „Wir fahren zusammen“-Kampagne von ver.di und Fridays for Future für eine komfortablere und zuverlässigere Mobilität mit Bus und Bahn und für bessere Arbeitsbedingungen.

Die Beschäftigten im ÖPNV leisten eine sehr wichtige Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Millionen Menschen werden in Deutschland jeden Tag mit Bus und Bahn sicher zur Schule, zur Arbeit oder zum Arzt transportiert. Jahrelange Einsparungen und die Corona-Pandemie haben Spuren in der Infrastruktur und beim Personal hinterlassen. Beschäftige sind erschöpft und fordern bessere Arbeitsbedingungen für diesen wichtigen Job. Der dringende Ausbau des Nahverkehrs stockt vielerorts, insbesondere in ländlichen Räumen. Es fehlt Geld für neue Busse, Bahnen und barrierefreie Haltestellen oder die Sanierung von Gleisen. Verbindungen fallen aus oder müssen eingestellt werden, weil Fachkräfte fehlen.

Ein Nahverkehr, der einfach funktioniert, ist auch für den Klimaschutz dringender denn je, denn der bundesdeutsche Verkehrssektor hat zum wiederholten Mal seine Klimaziele verfehlt. Wenn nicht mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Wir Grüne setzen uns daher in Bund, Ländern und Kommunen für einen kraftvollen Ausbau des ÖPNV ein.

Mit dem 49-Euro-Ticket haben wir eine Revolution im Nahverkehr eingeleitet. Jetzt können Fahrgäste Busse und Bahnen in ganz Deutschland mit nur einem Ticket nutzen, und das günstig in Stadt und Land. Damit haben wir den ÖPNV nach dem Coronatief wieder in die Mitte der Gesellschaft gebracht. Die zusätzlichen 1,5 Mrd. Euro Regionalisierungsmitteln durch den Bund haben einen wichtigen Beitrag geleistet. Unser Ziel ist es, die gemeinsame finanzielle Unterstützung durch Bund und Länder über 2025 hinaus zu verlängern und langfristig fortzusetzen.

Fehlende Fachkräfte sind ein gravierendes Problem für den ÖPNV. Nordrhein-Westfalen tritt mit einer Beschäftigungsoffensive dem Fachkräftemangel entgegen, mit der jedes Jahr mehrere hundert Menschen für die Arbeit im Bahnverkehr qualifiziert werden. Unsere Ziele sind mehr Personal, eine spürbare Entlastung der Mitarbeitenden und mehr Qualität in der Ausbildung und im Betrieb. Im Fokus stehen zunächst die unternehmensübergreifenden Qualifizierungen für Triebfahrzeugführer*innen. Die Ausbildungskapazitäten werden deutlich erweitert. Zudem sollen mehr Fachkräfte für die Leitstellen und die Kundenbetreuung gewonnen und qualifiziert werden. Dabei investiert NRW mehrere Millionen Euro in die Fachkräftegewinnung – und damit in die Zukunft der Schiene.

Auch in Kommunen wie Bonn stehen Grüne für mehr und besseren ÖPNV. Die Stadt plant die erste urbane Seilbahn Deutschlands, die Teil des ÖPNV wird. Ab 2024 werden ausschließlich batterieelektrische Busse beschafft. Durch Umgestaltung von Verkehrsflächen und die Schaffung von Umweltspuren werden Buslinien beschleunigt. Die Maßnahmen sind auch Teil des Bonner Klimaplans 2035. Die Nutzung von Bus und Bahn muss aber allen Menschen offenstehen. Ein Sozialticket sowie ein Schüler*innenticket mit 19 Euro ergänzt für das Bonner Stadtgebiet das Deutschlandticket.

Damit alle Menschen in Deutschland von einem zuverlässigen und klimafreundlichen ÖPNV profitieren, braucht es eine Ausbauoffensive in der Stadt und auf dem Land. Das haben wir in der Koalition im Bund vereinbart und das erwarten wir auch vom Bundesverkehrsminister. Bund, Länder und Kommunen müssen in einem Schulterschluss heute gemeinsam und entschlossen in die Zukunft des ÖPNV investieren, damit wir morgen ein klimafreundliches Verkehrssystem nutzen können, das für alle Menschen gut funktioniert. Für uns steht fest: Wir brauchen mehr Kapazität, bessere Qualität und Erreichbarkeit und eine auskömmliche Finanzierung.

Für einen besseren ÖPNV schlagen wir vor:

  1. für eine zukunftsfähige klimafreundlich Verkehrsfinanzierung in Deutschland, eine neue Gewichtung zwischen Straßenbau auf der einen Seite und Schienen- und ÖPNV-Finanzierung auf der anderen Seite vorzunehmen. Im Bundeshaushalt muss sich noch stärker widerspiegeln, dass wir die ambitionierten Ziele der Bundesregierung für mehr Fahrgäste nur schaffen, wenn wir ÖPNV und Schiene priorisieren.
  2. Neben öffentlichen Mitteln und den Ticketeinnahmen eine 3. Finanzierungssäule für den ÖPNV zu ermöglichen. Bereits heute bezuschussen zahlreiche Arbeitgeber*innen für ihre Mitarbeiter*innen ÖPNV-Monats-Tickets. Das wollen wir ausweiten und deswegen auf Bundes- und Landesebene rechtliche Voraussetzungen schaffen, die Instrumente wie Nahverkehrs- oder Arbeitgeberabgaben in Kommunen ermöglichen.
  3. die ohnehin klammen Kommunen dürfen bei der Finanzierung des ÖPNV nicht das letzte Glied in der Kette sein. Eine wirklich gute Mobilitätswende kann nur auf kommunaler Ebene gelingen – und braucht die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern sowie neue Finanzierungsformen für die dringend notwendigen Investitionen.
  4. umwelt- und klimaschädliche Subventionen abzubauen, um neue Spielräume in den öffentlichen Haushalten zu eröffnen. Unter anderem fordern wir, dass teure, schwere und klimaschädliche Dienstwagen nicht weiter steuerlich begünstigt werden. Davon profitiert die breite Gesellschaft nicht. Stattdessen wollen wir in öffentlichen Verkehr investieren und die Anreize steigern, sparsamere Dienstwagen zu wählen.
  5. zusätzlich zu einer besseren Finanzierung des ÖPNV auch Effizienzpotentiale im System zu heben. Die Vielzahl an Verkehrsverbünden und damit verbundenen Parallelstrukturen sollten reduziert und Potentiale der Digitalisierung konsequent genutzt werden.

 

Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen

Katja Dörner, Oberbürgermeisterin von Bonn

 

Veröffentlicht als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau am 2.3.2024

 

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